Sieht fast so aus, als hätten die Börsianer kalte Füße bekommen. Die Aktienindizes rund um den Globus haben die letzten Tage in negativem Terrain geschlossen. Der Nasdaq 100®, bis dato der Highflyer schlechthin, hat fast seine kompletten Gewinne seit Jahresbeginn wieder abgegeben. Grundsätzlich notieren die Aktienmärkte trotz der jüngsten Verluste aber noch immer in Schlagdistanz zu ihren Rekordständen.
Wie so oft in solchen Situationen fragen sich viele Anleger auch dieses Mal, ob sie so nah am Hoch noch einsteigen oder besser auf eine ausgeprägte Korrektur warten sollen. Wissenschaftliche Untersuchungen liefern wertvolle Hinweise, die bei der Entscheidungsfindung helfen können. Zum Beispiel haben die Kapitalmarktexperten von HQ Trust, dem Family Office von BMW-Patriarch Harald Quandt, kürzlich für eine neue Untersuchung die Börsenkurse seit dem Jahr 1973 betrachtet, also aus mehr als 50 Jahren Börsenhistorie. Bei der Berechnung wurden die täglichen Renditen des Aktienindex MSCI® World bis Dezember 1987 verwendet, ab Januar 1988 die des noch etwas breiteren MSCI® ACWI.
Demnach lohnt sich das Warten auf das nächste Jahrestief in aller Regel nicht, da Anleger bis dahin viel mehr Rendite liegenlassen, als sie nach dem günstigeren Einstieg gewinnen können. Pessimisten, die in den vergangenen 50 Jahren immer nur dann in den MSCI® eingestiegen wären, wenn das Börsenbarometer weniger als fünf Prozent von seinem Jahrestief entfernt notierte – und wieder verkauften, wenn der Index ein neues Jahreshoch erreichte, wären in diesem Zeitraum nur rund ein Drittel der Zeit investiert gewesen und hätten so nur etwas mehr als zwei Prozent Rendite pro Jahr erzielt. Der Dauerinvestor hingegen wäre auf einen Zuwachs von 7,7 Prozent im Jahr gekommen.
Zudem kann das Abwarten ziemlich lange dauern: Gerade mal in 13 Prozent der Zeit notierte der Index weniger als fünf Prozent vom Jahrestief entfernt. Höchststände dagegen gab es deutlich häufiger: In 51 Prozent der Zeit war der Aktienindex weniger als fünf Prozent von seinem Jahreshoch entfernt. Auch mit Blick auf das Verlustrisiko bringt ein Einstieg nahe dem Jahrestief laut der Untersuchung keinen signifikanten Vorteil. Bei einem Kauf zum Jahreshoch hätte es in 27 Prozent der Fälle auf Jahressicht ein Minus gegeben, beim Jahrestief waren es 28 Prozent.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch das Handelsblatt vor wenigen Wochen in einer Veröffentlichung. Demnach sorgten wenige Handelstage für die gesamten Gewinne im deutschen Leitindex DAX®. Rechnet man die 50 besten Handelstage aus den mittlerweile mehr als 9000 Handelstagen heraus, liegt der Index im Minus. Wenn Anleger in jedem Jahr die zehn besten Handelstage verpasst hätten, wäre die jährliche Rendite nicht nur komplett eingebrochen, Anleger hätten sogar Geld verloren: Statt eines jährlichen Plus von durchschnittlich gut neun Prozent wäre ein Verlust von im Schnitt fast 15 Prozent angefallen.
Wichtig ist also nicht, wann man kauft, sondern dass man es überhaupt tut. Denn wer sein Geld langfristig am Aktienmarkt anlegt, kann auf jeden Fall mit überproportionalen Renditen im Vergleich zu klassischen Anlageformen wie dem Tages- oder Festgeld rechnen. Ulrich von Auer, Leiter des Portfoliomanagements für das deutsche Private Banking bei J.P. Morgan rät daher, dass Anleger ihr Geld so auf verschiedene Vermögensformen verteilen sollten, dass sie auch in schwierigen Märkten investiert bleiben können. Andersherum: Markt-Timing ist ein Traum, aber meist auch eine Illusion. Die Idee, dass man am Hochpunkt einer Börse Gewinne mitnimmt und am Ende eines Crashs wieder einsteigt, funktioniert nur ganz selten. Um durchzuhalten und investiert zu bleiben, braucht man jedoch eine passende Allokation und ein gutes Nervenkostüm, wenn das Vermögen zwischendurch auch mal schrumpft.