Rückblick: Zertifikate Jahresauftakt 2020

Rückblick: Zertifikate Jahresauftakt 2020

Das Zertifikate Forum Austria veranstaltete am 22.01.2020 in der Säulenhalle der Wiener Börse den alljährlichen Zertifikate Jahresauftakt.

Als Highlights standen nach Begrüßungsworten die Vorträge von Mag. Stefan Bruckbauer, Chefökonom der UniCredit Bank Austria AG und Thomas Wulf, Generalsekretär der EUSIPA, am Programm:

„Ein kleines Pflänzchen der Erholung ist sichtbar!“

Stefan Bruckbauer stellte an den Beginn seines Vortrags über die „Marktperspektiven 2020“ folgende Feststellung: „Die europäische Industrie und hier vor allem die deutsche Industrie ist aktuell in einer schwierigen Situation. Aber das wird von einer breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil das Baugewerbe und der Dienstleistungssektor nach wie vor stark performen und die Problematik der Industrie zudecken“. Damit stelle sich für ihn die Frage, ob die Schwäche der Industrie auch auf andere Sektoren übergreifen könne.

Betrachte man speziell die globale Industriekonjunktur, so zeige sich eine substanzielle Abschwächung, die besonders im Euroraum und hier wiederum vor allem in Deutschland, Italien und zunehmend auch in Österreich spürbar werde. Auch wenn sich die Stimmung merklich eingetrübt habe, erwartet Bruckbauer jedoch keinen Einbruch wie etwa 2007 bzw. 2008. Er stellte fest: „Es handelt sich um einen normalen zyklischen Abschwung, übrigens den 18. seit dem Jahr 1960, und nur zwei davon hatten die Dimension einer Krise“. Ergänzend fügte er hinzu: „Wir beobachten seit 2017 eine Konjunkturabkühlung, seit September 2018 einen globalen Abschwung und sehen jetzt erste Anzeichen einer Erholung“.

Wie schätzt der Experte nun das BIP-Wachstum ein? Mit 2,7 % wird das Weltwirtschaftswachstum 2020 den niedrigsten Wert seit 2009 aufweisen. Er stellt für 2021 eine leichte Erholung in Aussicht, die aber weiterhin unter dem langfristigen Durchschnitt zu liegen kommen wird. In den USA geht er für 2020 von einem BIP-Wachstum von 1,1 % aus und ist damit pessimistischer als der Konsenswert von 1,8 %. Der Euroraum werde seiner Einschätzung nach im laufenden Jahr um 0,8 % wachsen, etwas besser liege da Österreich mit 1,0 %.

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Was die Finanzmärkte anbelangt, so beurteilte Bruckbauer vor allem die niedrige Inflationsrate, die sich um etwa 1 % bewegt, äußerst kritisch. Die sinkende Inflationserwartung übe vor allem Druck auf das lange Ende der Zinsen aus. Bruckbauer machte das Publikum auf ein kleines Detail aufmerksam, das allerdings große Auswirkungen auf die europäische Finanzwelt haben könnte. Bislang galt in der EZB-Politik das Credo einer Inflation von unter 2 %, aber nahe 2 %. Nun stehe aber heuer das Inflationsziel der EZB „under review“. Die sprachliche Feinheit, ob nun das neue Ziel nur mehr lauten wird „unter 2 %“ oder wieder „nahe bei 2 %“ oder „durchschnittlich 2 %“ werde signifikante Auswirkungen auf die europäische Zinslandschaft haben. Laut Bruckbauer werde dies heuer die wesentlichste Entscheidung der EZB bilden. Für Spannung ist gesorgt!

„Geht regulieren über studieren?“

Der Generalsekretär der European Structured Investment Products Association (EUSIPA) Thomas Wulf referierte über die Erwartungen an die EU-Politik nach den im Vorjahr erfolgten EU-Wahlen. Eingangs erwähnte Wulf einige Rahmenbedingungen, die den Finanzsektor in Europa derzeit beeinflussen. Hier ist zum einen die Nullzins-Landschaft zu erwähnen, aber auch die überbordenden Regulative in der EU. Viele Banken hätten nach der Finanzkrise ihre Cost-Income-Ratio nicht verbessern können, während in den USA die Regulierungen für Banken spürbar gelockert wurden, womit kleineren amerikanischen Banken mehr Luft zum Atmen verschafft wurde.

Ein bestimmendes Thema bleibe der Brexit, und ein harter Brexit sei nach wie vor nicht auszuschließen.

Nicht mit Kritik sparte Wulf angesichts des „extrem zersplitterten Feldes in der Regulierungslandschaft der EU“. Bei der weiteren Entwicklung des Finanzsektors hob Wulf vor allem zwei Themenkomplexe hervor: Kapitalmarktunion und Nachhaltigkeit. Letzteres sei im Asset Management unverändert ein bestimmendes Thema, weil damit Fragen nach neuen Investorentypen, neuen Anlagestrategien und -zielen sowie neuen Erwartungen an die Banken einhergehen. Wulf zeigte die geradezu verwirrende Fülle an Labels auf, die derzeit zum Nachhaltigkeitsgedanken in den Mitgliedstaaten in Verwendung sind.

Um diesbezüglich für einheitliche Standards zu sorgen habe die EU – im Rahmen der Benchmark-Verordnung im Oktober 2019 – die Einführung von zwei Typen für Indizes mit Niedrigemissionsstrategie veröffentlicht. Kurz vor der Fertigstellung stehe die sogenannte „Taxonomie Verordnung“ – also eine Auflistung von Kriterien, wann eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig einzustufen sei.

Impressionen, Programme und Präsentationen zur Veranstaltung stehen auf der Seite des Zertifikateforum Austria zum Download bereit.

Quelle: Zertifikateforum Austria



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