Das Erbe von Mario Draghi

Das Erbe von Mario Draghi

Als neue EZB-Chefin dürfte Christine Lagarde ab November die extrem expansive Geldpolitik ihres Vorgängers fortsetzen.

Bei der Sitzung der Europäischen Zentralbank am 12. September sorgte Mario Draghi für einen Paukenschlag: Neben der Senkung des Einlagezinssatzes um zehn Basispunkte auf minus 0,5 Prozent kündigte der Präsident des EZB-Direktoriums eine neue Runde der Quantitativen Lockerung (QE) an: Ab November will die Notenbank monatlich Anleihen im Volumen von 20 Mrd. Euro kaufen. Damit soll die Inflationsrate in der Eurozone in die Nähe des EZB-Ziels von „nahe, aber unter zwei Prozent“ gebracht und damit die Konjunktur angekurbelt werden.

Mit den jüngsten Entscheidungen hat der scheidende EZB-Präsident Draghi seiner Nachfolgerin Christine Lagarde die künftige Marschroute der Notenbank vorgegeben. Im November wird die bisherige geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Draghi an der EZB-Spitze ablösen. Nach allgemeiner Einschätzung gilt Lagarde als „Taube“, also als Verfechterin einer expansiven Geldpolitik. Schon als IWF-Chefin hat sie den Kurs der EZB stets gut geheißen.

Als Lagarde kürzlich dem EU-Parlament Rede und Antwort stand, ließ sie keine Zweifel an einer Fortsetzung der extrem expansiven Geldpolitik aufkommen. Zweieinhalb Stunden lang wollten die Parlamentarier von ihr wissen, welchen Kurs sie als künftige Präsidentin der EZB einschlagen wird. Es gehe um „innovative Maßnahmen“, betonte Lagarde mehrmals, wie Teilnehmer berichteten. Ihr Ziel sei es, die Konjunktur zu stützen.

Eine Überlegung ist, dass die EZB neben Anleihen künftig auch Aktien erwirbt – ein Instrument, das beispielsweise in Japan schon seit Jahren eingesetzt wird. Auf diese Weise könnte die Notenbank zusätzliche Milliarden in die Finanzmärkte pumpen – in der Hoffnung, dass dadurch die Konjunktur stimuliert wird. In Finanzkreisen wird seit Längerem auch über ein sogenanntes „Helikoptergeld“ diskutiert. Schon Draghi bezeichnete 2016 die Idee, die auf den US-Ökonomen Milton Friedman zurückgeht, als „sehr interessant“. Dabei würde jeder Bürger der EU einen gewissen Geldbetrag in bar erhalten, der anschließend in den Konsum fließen muss. Auch dabei steht die Ankurbelung von Wirtschaft und Inflation im Fokus.

Eine besonders kühne Idee ließ Lagarde zu Jahresbeginn auf den Seiten des IWF publizieren. Darin schlugen Ökonomen vor, eine Strafsteuer auf Bargeld einzuführen. Eine solche Maßnahme würde insbesondere dann nötig, wenn der Leitzins unter null sinken würde. Denn dann könnten Sparer dazu übergehen, ihre Guthaben von den Bankkonten abzuheben und „unters Kopfkissen“ zu legen, um der Geldentwertung zu entkommen. Deshalb empfehlen die Experten in diesem Fall, Bargeld mittels einer Strafsteuer möglichst unbeliebt zu machen.

Welche der Ideen eines Tages Realität wird, ist heute zwar noch nicht absehbar. Doch schon allein die Vorschläge zeigen, dass der „Werkzeugkasten“ der EZB – trotz des Leitzinses bei null und des Einlagezinssatzes bei minus 0,5 Prozent – noch längst nicht ausgeschöpft ist.



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