Beim Blick auf die Kurstafeln scheinen sich die AktienmĂ€rkte vorerst beruhigt zu haben, die Nachrichtenlage stellt jedoch weiterhin eine Achterbahnfahrt der GefĂŒhle dar. Damit spielen wir nicht nur auf den Abgang Angela Merkels nach 16 Jahren als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland an, sondern beziehen uns vor allem auf den Meldungsmix rund um Omikron und Evergrande.
Der Hoffnung, dass die neue Virus-Variante weniger gefĂ€hrlich sein könnte, stehen mittlerweile Berichte ĂŒber eine womöglich geringere Impfwirksamkeit gegenĂŒber. So soll ein ausreichender Schutz doch erst nach der dritten (Booster) Impfung gegeben sein, wĂ€hrend ein angepasster Impfstoff frĂŒhestens fĂŒr MĂ€rz 2022 zu erwarten ist. Und selbst im Hinblick auf die Schwere der KrankheitsverlĂ€ufe kann noch keine Entwarnung gegeben werden. Der GroĂteil der Infizierten in Afrika wies zwar tatsĂ€chlich nur milde Symptome auf. Allerdings handelte es sich bei den Betroffenen zumeist um jĂŒngere Personen. Des Weiteren darf nicht auĂer Acht gelassen werden, dass SĂŒdafrika einen hohen Grad an Durchseuchung aufweist, sodass in den meisten FĂ€llen von einer erneuten Ansteckung ausgegangen werden muss. Neue Daten aus Japan lassen zudem darauf schlieĂen, dass die Omikron-Variante viermal so ĂŒbertragbar ist wie die jene von Delta. Dass nach den verlustreichen Handelstagen der Vorwochen zwischenzeitlich aber eine leichte Erholung eintritt, haben wir bereits in der vergangenen Woche in unserem wöchentlichen Marktausblick als wahrscheinlich eingestuft. Ein gĂ€nzliches Auspreisen der Omikron-Sorgen erscheint jedoch definitiv verfrĂŒht. Wir gehen daher davon aus, dass sich die MĂ€rkte auch in den kommenden Handelstagen weiter auf Richtungssuche begeben werden und die Nachrichtenlage rund um Omikron den maĂgeblichen treibenden Faktor darstellen wird.
Wir sehen uns in Anbetracht der aktuellen Datenlage weiterhin nicht dazu veranlasst unser Basisszenario zu Ă€ndern, stellen aber im Zuge der Ausarbeitung unseres neuen Aktienmarktausblicks fĂŒr 2022 die aktuellen Kursziele in Revision.
Abseits der globalen Pandemie rĂŒckte ein weiterer Risikofaktor wieder in den Fokus, um welchen es zuletzt etwas stiller geworden war: der strauchelnde chinesische Immobiliengigant Evergrande. Die Ratingagentur Fitch hat den hoch verschuldeten Immobilien-Riesen Evergrande mit "Restricted Default" auf die zweitniedrigste Stufe (kurz vor dem Totalausfall) weiter herabgestuft. Der Konzern ist erneut in Zahlungsverzug geraten: Anfang der Woche lief eine 30-tĂ€gige Nachfrist fĂŒr die Zahlung von Anleihezinsen in Höhe von USD 82,5 Mio. aus. Chinas Zentralbankchef Yi Gang signalisierte zuletzt, dass die Regierung in Peking dem Konzern nicht mit RettungsmaĂnahmen zur Hilfe kommen wolle, wodurch ein Default deutlich wahrscheinlicher geworden ist. An den AktienmĂ€rkten wurde dieses Thema zwar aufgenommen, wirkliche drastische Kursreaktionen, insbesondere auch am breiten chinesischen Aktienmarkt, blieben jedoch aus. FĂŒr uns ist das unter anderem ein Indiz dafĂŒr, dass â wie auch in frĂŒheren Publikationen dargelegt â bereits ein GroĂteil dieses Risikofaktors an den MĂ€rkten eingepreist zu sein scheint. Trotzdem werden wir die Entwicklungen weiterhin genau beobachten und gegebenenfalls reagieren.
Datenseitig ist in der kommenden Woche nur mit geringen Impulsen aus dem Unternehmensbereich zu rechnen. Der Markt wird sich vielmehr auf Makrodaten und geldpolitische Entscheidungen fokussieren. Es lÀuft zwar alles in Richtung einer "geldpolitischen Normalisierung", wir sehen die Taperingdebatte jedoch mehrheitlich am Aktienmarkt eingepreist und erwarten vorerst keinen wirklichen Gegenwind.
AbschlieĂend wollen wir noch einen unparteiischen und objektiven Blick auf das Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel werfen. AuĂer Frage steht, dass Merkel in den vergangenen 16 Jahren maĂgeblich das geopolitische Klima mitgestaltete. In Zeiten schillernder Politpersönlichkeiten stellte ihre besonnene und unaufgeregte Art stets einen wichtigen Gegenpol dar. Ihrem Nachfolger Olaf Scholz wurde oftmals fehlendes Temperament vorgeworfen â vielleicht unterscheidet er sich also gar nicht so sehr von ihr. WĂ€hrend wir Merkels politische Erfolge und Misserfolge nicht kommentieren wollen, können wir zumindest aus Kapitalmarktsicht festhalten, dass Merkels Regentschaft fĂŒr DAX-Anleger zu den Profitabelsten zĂ€hlte. Rechnen wir die Kursentwicklung des deutschen Börsenbarometers bis Ende der 60er zurĂŒck, so erzielten DAX-Investoren in den letzten vier Amtsperioden im Durchschnitt rund 5 % Rendite pro Jahr. Lediglich die Ăra Kohl war dank der damaligen Entwicklung des "Neuen Marktes" von noch höheren Renditen geprĂ€gt.
â zur Ăbersicht Monatsmagazin